Die Flurbereinigungsbehörde hat gem. § 37 FlurbG letzter Satz auch die rechtlichen Verhältnisse zu ordnen. Wenn im Bestandsverzeichnis eines Grundbuchs ein radiziertes Altrechte eingetragen ist, ist zu prüfen, ob es sich um ein öffentlich-rechtliches Nutzungsrecht handelt. Dies wird meist der Fall sein, wenn in der Eintragung das Recht als Gemeindenutzungsrecht o.ä. bezeichnet ist. Gemeindenutzungsrechte sind öffentlich-rechtliche Nutzungsrechte wenn sie im Gemeindeverbund wurzeln, eine größere Anzahl von Eigentümern bestimmter Anwesen ein ähnliches Nutzungsrecht beanspruchen und die Bezeichnung des Rechts darauf schließen lässt (vgl. VG Regenburg vom 24.04.2013 Az.: RN 3 K 12.987 hier Rn. 23).

Kann dies nachgewiesen werden, wäre eine Löschung des Rechts im Bestandsverzeichnis bereits von Amts wegen gem. § 53 Abs. 1 S. 2 GBO möglich, weil die Eintragung unzulässig ist (siehe BayOLG vom 18.07.1989, Az.: BReg 2 Z 61/89; DNotI 1178 Abs. 2.a und b vom 29.10.1998). Die Nachweisführung kann durch die Flurbereinigungsbehörde erfolgen. Das Grundbuchamt kann dann aufgrund des Berichtigungsersuchens löschen, ohne den Nachweis eigenständig prüfen zu müssen. So bekommt man zunächst das Grundbuch frei von unzulässigen Eintragungen. Die Löschung der Eintragung hat jedoch nichts mit der Löschung des öffentlich-rechtlichen Nutzungsrechtes zu tun.

Als nächsten Schritt sollte die Flurbereinigungsbehörde prüfen, ob das Recht ein Titelrecht ist, dass in Bayern durch einen Rechtstitel vor dem Gemeindeedikt vom 17.05.1818 (Rn. 23 des Urteils vom 14.03.2002 des VG Bayreuth mit Az.: 2 K 01.857) begründet sein musste oder es sich um ein Herkommensrecht kraft Rechtsüberzeugung handelt, dass (wiederum in Bayern) seit dem 18.01.1922 ununterbrochen ausgeübt wird.

Liegt ein echter Rechtstitel vor oder wird von der Gemeinde und dem Nutzungsberechtigten (Rechtler) das Nutzungsrecht aus Rechtsüberzeugung anerkannt, kann es im Flurbereinigungsverfahren, wenn es dem Zweck des Verfahrens dient, gem. § 48 Abs. 1 FlurbG oder gem. § 49 Abs. 1 FlurbG geteilt/abgelöst/aufgehoben werden. Gem. Rn. 1 zu § 48 FlurbG Wingerter/Mayr betrifft § 48 Abs. 1 FlurbG noch bestehende altrechtliche Gemeinheiten und die Ablösung von am Grundeigentum lastenden Nutzungsberechtigungen. In Rn. 3 zu § 49 FlurbG Wingerter/Mayr wird darauf hingewiesen, dass die in § 49 Abs. 1 FlurbG genannten persönlichen Rechte auch öffentliche Rechte sein können. Beispielhaft werden Weide-, Streu- und Waldnutzungsrechte als unvererbliche öffentliche Nutzungsrechte am Eigentum der Gemeinde bezeichnet, die mit dem Eigentum an einem bestimmten Hofgrundstück verbunden sind.

Auch wenn ein Titelrecht vorhanden ist oder ein Herkommensrecht von den Beteiligten bejaht wird, kann das Recht nicht mehr existieren. Bei Titelrechten durch bereits stattgefundene Rezesse, Gerichtsentscheidungen, Ablösungsvereinbarungen, Verwaltungsakt aber auch aufgrund 30jähriger Verjährung (Rn. 9 Urteil des Bay. VGH vom 06.04.2004 Az.: 4 ZB 02.2162 mit Verweis auf das Urteil vom 13.06.1973 Az.: 146 IV 68). Ein Herkommensrecht erlischt komplett oder teilweise, wenn

  1. die Rechtsüberzeugung beim Rechtler oder der Gemeinde nicht vorhanden ist (Rn. 55 Urteil des VG Ansbach vom 22.11.2012 mit Az.: AN 4 K 11.01808; Rn. 32 Urteil des VG Regensburg vom 24.04.2013 mit Az.: RN 3 K 12.987)
  2. das Recht nicht ununterbrochen ausgeübt wurde (Rn. 31 Urteil des VG Regensburg vom 24.04.2013 mit Az.: RN 3 K 12.987)
  3. die Nutzungsart geändert wurde (Rn. 35 Urteil des VG Regensburg vom 31.07.2002 mit Az.: 0140; DNotI 1178 Abs. 2.dvom 29.10.1998)
  4. die Hofstelle untergegangen ist (Rn. 35 Urteil des VG Regensburg vom 31.07.2002 mit Az.: 0140)
  5. das Grundstück veräußert wurde (Rn. 35 Urteil des VG Regensburg vom 31.07.2002 mit Az.: 0140; DNotI 1178 Abs. 2.d vom 29.10.1998) oder
  6. die Landwirtschaft aufgegeben wurde, wenn das Recht ausschließlich landwirtschaftlichen Zwecken dient (Rn. 35 Urteil des VG Regensburg vom 31.07.2002 mit Az.: 0140)

Weil radizierte Gemeindenutzungsrechte nicht mehr neu begründet, übertragen und erweitert werden dürfen, kann ein solches Recht auch nicht mehr aufleben, wenn es bereits in früheren Jahren erloschen ist.

Die Ablösung/Löschung solcher Altrechte ist Ziel und Zweck eines Flurbereinigungsverfahrens. Bereits die Reichsumlegungsordung (RUO) vom 16.06.1937 sieht die Teilung und Ablösung im § 54 vor. Dieser Paragraph ging im Jahr 1952 in die §§ 48 und 49 FlurbG auf, mit Begründung auf das bisherige Recht der RUO (siehe BTDrucks. 1/3385). Der Bundesrat hat im Jahr 1974 in seiner Stellungnahme zur Änderung der FlurbG einer Erweiterung des § 49 FlurbG verlangt und in der Begründung (BTDrucks. 7/3020) die landeskulturellen Erfordernisse der Ablösung von Rechten erwähnt und durch die Gesetzesänderung ermöglicht bzw. vereinfacht.

Die Grundbucheintragung eines solchen Rechts unterliegt nicht dem öffentlichen Glauben des Grundbuches, denn ein im Bestandsverzeichnis eingetragenes (möglicherweise) radiziertes Recht ist nur eine Beschreibung eines angeblich bestehenden Rechts (beschreibender Charakter) und kein Rechtstitel mit rechtsbegründender Funktion (Rn. 42 Urteil des VG Ansbach vom 22.11.2012 mit Az.: AN 4 K 11.01808; Rn. 30 Urteil des VG Regensburg vom 24.04.2013 mit Az.: RN 3 K 12.987). Die Grundbucheintragung begründet noch nicht einmal die Vermutung für das Bestehen eines solchen Rechts (Rn. 19 und 24 VG Bayreuth vom 14.03.2002 Az.: 2 K 01.857).

Daher handelt es sich bei öffentlich-rechtlichen Nutzungsrechten immer um unbekannte Rechte gem. § 14 FlurbG das aus dem Grundbuch nicht ersichtlich ist und angemeldet werden muss. Bei der Beteiligtenermittlung gem. § 11 FlurbG kann das mögliche eingetragene radizierte Recht als Eintragung i.S.v. § 12 Abs. 1 S. 1 FlurbG angesehen werden, jedoch nicht als rechtsbegründend und nachweisendes Recht. Die Gemeinde und der Berechtigt sollten angeschrieben werden und auf die Anmeldung des Rechts gem. § 14 FlurbG hingewiesen werden. Die möglichen Beteiligten sind auf ihre Mitwirkungspflicht gem. § 2 Abs. 1 FlurbG und auf den möglichen Rechtsverlust bei Nichtanmeldung hinzuweisen. Der Nachweis ist erbracht, wenn ein echtes Titelrecht vorgelegt wird oder Rechtler und Gemeinde aufgrund Rechtsüberzeugung das Herkommensrecht anerkennen. Anschließend ist die Grundbucheintragung und/oder das Recht wie oben angegeben zu bearbeiten.

Auch wenn in der Praxis, ohne Beanstandungen, radizierte Rechte im Belastungsnachweis behandelt werden, sehe ich dies als falsch an. Ein radiziertes Recht ist ein Grundstücksbestandteil gem. § 96 BGB und gehört zur Einlage und muss wieder abgefunden werden, wenn, wie oben beschrieben, das Recht nicht abgelöst/geteilt/gelöscht wird. Im Belastungsnachweis gehören m.E. nur Belastungen aus Abteilung II und III, die die Einlage und Abfindung belasten.

Fazit

Öffentlich rechtliche Gemeindenutzungsrechte gehören nicht ins Grundbuch und sollten dort gelöscht werden. Möglicherweise gibt es funktionierende Gemeindenutzungsrechte, jedoch zeigen die gefundenen Gerichtsverfahren, dass diese Rechte nicht mehr in unsere Zeit passen. Außerdem kann durch die Abschaffung solcher Rechte das Grundbuch als alleiniger Eigentumsnachweis gestärkt werden. Im Zuge eines Flurbereinigungsverfahrens können einerseits die Falscheintragungen und andererseits tatsächlich existierende Gemeindenutzungsrechte gelöscht/abgelöst/geteilt werden, wenn es dem Zweck der Flurbereinigung dient. 

Quellen

  • DNotI Gutachtennummer 1178 vom 29.10.1998
  • VG Bayreuth vom 14.03.2002 (Az.: 2 K 01.857)
  • VG Regensburg vom 31.07.2002 (Az.: 0140)
  • VG Ansbach vom 22.11.2012 (Az.: AN 4 K 11.01808)
  • Bay. VGH vom 06.04.2004 (Az.: 4 ZB 02.2162)
  • VG Regensburg vom 24.04.2013 (Az.: RN 3 K 12.987)

 

21.12.2015
Ivo Partschefeld