Das BVerwG hat in seinem Urteil vom 05.05.2015 (Az.: 9 C 12/14) klargestellt, dass die Vertreterbestellung nach Art. 233 § 2 Abs. 3 Satz 1 EGBGB zu den gemeinschaftlichen Angelegenheiten der Teilnehmer gehört (siehe 1. Leitsatz und Rn. 12 im Urteil). Demnach müsste die Teilnehmergemeinschaft den Antrag auf Vertreterbestellung beim Landkreis stellen und nicht die Flurbereinigungsbehörde. Das OVG Berlin-Brandenburg musste sich in seinem Urteil vom 25.06.2015 (Az.: OVG 70 A 13.12) ebenfalls mit einer Vertreterbestellung beschäftigen, jedoch nach § 119 FlurbG.
Das OVG stellte mit Bezug auf das Urteil des BVerwG fest, dass die Vertreterbestellung nach Art. 233 § 2 Abs. 3 EGBGB das gleiche Ziel verfolgt, wie die Vertreterbestellung nach § 119 FlurbG (siehe Rn. 27 im OVG Urteil). Es stellt die Passivlegitimation des Verbandes in Rn. 25 nicht in Frage und erläutert in Rn. 26, dass (aufgrund Aufgabenübertragung an die TG, und damit weiter an den Verband) dieser die verfahrensrechtliche Stellung der Flurberinigungsbehörde einnimmt. Das BVerwG weist in Rn. 12 letzter Satz auf die Doppelfunktion der TG hin, die eigene aber auch übertragene Aufgaben und Befugnisse hat. Wie o.g. kommt das BVerwG jedoch zum Ergebniss, dass der Antrag nach Art. 233 § 2 Abs. 3 EGBGB eine eigene und keine übertragene Aufgabe ist. Das der Verband den Antrag auf Vertreterbestellung (nach § 119 FlurbG, Art. 233 § 2 Abs. 3 EGBGB oder § 16 VwVfG) und damit sicher einhergehend die Eigentümerermittlung übernimmt, ist hinsichtlich einer effizienten Verwaltung zu begrüßen, aber nicht nachvollziehbar. Weder das FlurbG noch das Gesetz über die ländliche Entwicklung und zur Ausführung des Flurbereinigungsgesetzes und des Landwirtschaftsanpassungsgesetzes im Land Brandenburg (BbgLEG) sieht eine Kompetenzzuweisung an die TG vor. § 119 FlurbG bestimmt allein die Flurbereinigungsbehörde oder die obere Flurbereinigungsbehörde das Ersuchen auf vertreterbestellung zu stellen. Es kann auch keine übertragene Aufgabe sein, weil allein § 3 Abs. 1 und 4 BbgLEG die übertragenen Aufgaben festlegt. § 3 Abs. 5 BbgLEG legt lediglich die verfahrensrechtliche Stellung der Teilnehmergemeinschaft für die in Abs. 1 und 3 genannten übertragenen Aufgaben fest. § 119 FlurbG wird in § 3 BbgLEG nicht aufgeführt und findet auch in der Gesetzesbegründung (Drucksache 3/7060 Landtag Brandenburg) keine Erwähnung. Damit ist das Ersuchen auf Vertreterbestellung keine übertragene Aufgabe der TG. Der Verband kann in dieser Hinsicht nicht tätig werden. Das OVG hat sicher daher auch in Rn. 27 angemerkt, dass es in diesem Fall offen bleiben kann, ob der Verband für die Vertreterbestellung zuständig war.
Folgt man der Auffasung des BVerwG hinsichtlich der Vertreterbestellung nach Art. 233 § 2 Abs. 3 EGBGB und geht dennoch davon aus, dass die Flurbereinigungsbehörde und nicht die TG nach § 119 FlurbG antragsberechtigt ist, müsste der Gesetzgeber durch Art. 233 § 2 Abs. 3 S. 6 EGBGB die Ersuchensermächtigung auf die Teilnehmergemeinschaft übertragen haben. Dies geht weder aus dem Paragraphenwortlaut noch der Gesetzesbegründung (BTDrs. 360/93) hervor. Im Gegenteil, denn in der Gesetzesbegründung (Seite 398 erster Absatz letzter Satz) wird darauf verwiesen, dass Spezialgesetze der allgemeinen Regelung von Art. 233 § 2 Abs. 3 EGBGB vorgehen (Seite 398 erster Absatz letzter Satz). Die Begründung des BVerwG ist richtig und nachvollziehbar, jedoch dürfte die Schlussfolgerung falsch sein, dass die Antragsbefugnis bei der Teilnehmergemeinschaft liegt. Vielmehr hat der Gesetzgeber im Registerverfahrensbeschleunigungsgesetz nur festgelegt, wer den Vertreter bestellt (Landkreis statt Betreuungsgericht) und nicht die Antrags- und Ersuchensbefugnis geändert.
Das Ersuchen um Vertreterbestellung ist ein Folge aus der Beteiligtenermittlung gem. § 11 FlurbG, das auch im Interesse der Teilnehmergemeischaft liegt. Die Beteiligtenermittlung ist keine übertragene Aufgabe und nach bisheriger Auffassung auch keine gemeinschaftliche Angelegenheit der Teilnehmer. Wird nunmehr die Vertreterbestellung nach Art. 233 § 2 Abs. 3 EGBGB als gemeinschaftliche Angelegenheit der Teilnehmer angesehen, kann daraus erwachsen, dass es sich bei den Kosten um Ausführungskosten gem. § 105 FlurbG handeln könnte. Wie im Fall der OVG Entscheidung war der Verband Kostenschuldner, weil er gem. § 119 Abs. 3 FlurbG, für den Vertreter gesehen, die ersuchende Behörde war. Lt. Rn. 5 zu § 119 FlurbG Wingerter/Mayr sind die Aufwendungen für die Vertreterbestellung Verfahrenskosten. Bleibt es bei der Auffassung, und ist (wie der BVerwG feststelle) gleichzeitig die TG und nicht die Flurbereinigungsbehörde nach Art. 233 § 2 Abs. 3 EGBGB antragsbefugt, wäre die TG Kostenschuldner für Verfahrenskosten.
Bleibt es bei der Auffassung des BVerwG, dass der Antrag auf Vertreterbestellung nach Art. 233 § 2 Abs. 3 EGBGB Aufgabe der TG ist, wäre der OVG Hinweis in Rn. 27 zu hinterfragen. Hat der BVerwG durch Leitsatz 1 und Rn. 12 seiner Entscheidung auch § 119 FlurbG als gemeinschaftliche Angelegenheit der Teilnehmer deklariert oder sieht das BVerwG, dass durch Art. 233 § 2 Abs. 3 EGBGB auch die ersuchende Behörde lt. § 119 FlurbG ersetzt wurde?
Fazit
Die Aufgaben und Befugnisse in § 119 FlurbG sind durch die Ermächtigung in § 18 Abs. 2 FlurbG in keinem Bundesland auf die Teilnehmergemeinschaft übertragen worden. Trotz der höchstrichterlichen Entscheidung sehe ich die Schlussfolgerung des BVerwG kritisch, weil, wie das OVG bereits anmerkte, die Erwägungen des BVerwG ebenfalls für § 119 FlurbG zutreffen.
Abgesehen davon ist die BVerwG Entscheidung für uns Flurbereiniger in den neuen Bundesländer sehr zu begrüßen, weil das Urteil eine klare Absage an aufwendige Eigentümerermittlungen erteilt. Selbst habe ich bereits mit Verweis auf die Entscheidung der Vorinstanz (OVG Berlin-Brandenburg vom 10.04.2015 mit Az.: OVG 70 A 17.13) ohne viel Ermittlungsaufwand einen Vertreter von meinem Landkreis bestellt bekommen.
09.01.2016
Ivo Partschefeld