Für die effektive Beteiligtenermittlung spielt der Eigenbesitzer eine große Rolle. Dieses, in § 13 Abs. 1 FlurbG, vorgegebene Instrument führt zu einer beschleunigten Durchführung des Verfahrens und spart Arbeitszeit im Vergleich zur Vertreterbestellung gem. § 119 FlurbG oder gar einer Eigentümerermittlung bis zum letzten Erben. Im Folgenden möchte ich stichpunktartig die wichtigsten Punkte aufführen und Hinweise geben.

 

 

Die Legaldefinition von Eigenbesitzer ist in § 872 BGB festgelegt. Folgende Kommentare und Urteile erläutern dies näher:

Wingerter/Mayr Rn. 1 zu § 13 FlurbG: „Eigenbesitzer ist nach § 872 BGB derjenige, der das Grundstück als ihm gehörend wie ein Eigentümer besitzt, gleich ob zu Recht oder zu Unrecht, ob gut- oder bösgläubig.“
Palandt 62. Auflage Rn. 1 zu § 872 BGB: „Eigenbesitzer ist, wer die tatsächliche Gewalt über die Sache mit dem Willen ausübt, sie wie eine ihm gehörende zu beherrschen. Nicht erforderlich, dass sich der Wille auf Eigentum oder rechtmäßigen Erwerb stützt“
BGH vom 29.10.1959 (Az.: VII ZR 197/58): „nur der Eigenbesitzer kann sich für befugt halten, mit der Sache nach Belieben zu verfahren“
BGH vom 29.03.1996 (V ZR 326/94):  „Eigenbesitzer ist nach § 872 BGB, wer eine Sache als ihm gehörend besitzt. Das Merkmal, das den Besitz zum Eigenbesitz macht, ist mithin der Wille, die Sache wie ein Eigentümer zu beherrschen (BGH, Urt. v. 30. Juni 1971, V ZR 43/69, WM 1971, 1452; Urt. v. 13. März 1981, V ZR 115/80, WM 1981, 625, 626).“

 

Die Nachweisart für den Eigenbesitz wird in folgenden Kommentaren und Urteilen erläutert:

Wingerter/Mayr Rn. 1 zu § 13 FlurbG:  „Besitzzeugnis der Gemeinde“ --> mit Verweis auf § 12 Abs. 1 S. 2 FlurbG
Wingerter/Mayr Rn. 3 Abs. 2 zu § 12 FlurbG: „… erleichterter Nachweis …“
Seite 47 im Buch „Die Grundbuchsachen in der gerichtlichen Praxis“ von Dr. A. Brand und L. Schnitzler (Springer Verlag Berlin Heidelberg GmbH – 1921): „Besitzattest des Landrats oder durch Zeugen. Ein strikter Nachweis wird nicht verlangt, Glaubhaftmachung genügt“ --> Der Abschnitt in dem Buch behandelt die Erstanlage von Grundbüchern.
OLG Hamm vom 17.03.1997 (Az.: 15 W 536/96): „Art 20 der VO v 13.11.1899 (GBV PR) sah die Orientierung der Grundbuchämter an förmlichen Besitzzeugnissen öffentlicher Behörden vor; weitere Ermittlungen waren nur geboten, wenn der Grundbuchrichter nach dem ihm vorliegenden Material begründete Zweifel an der Richtigkeit des Besitzzeugnisses haben mußte.“

 

Entsprechend der BGH Entscheidung vom 29.10.1959 (Az.: VII ZR 197/58) muss nachgewiesen werden, wann der Zeitpunkt war, als der Eigenbesitz entstanden ist. Dies kann schleichend aber auch schlagartig erfolgt sein und dazu noch vom berechtigten Fremdbesitz in unberechtigten Eigenbesitz aber auch ohne Fremdbesitz in Eigenbesitz erfolgt sein. Entscheidend ist die Glaubhaftmachung. Gibt eine Person glaubhaft an, Eigenbesitzer zu sein, muss dies anerkannt werden. Im Aufgebotsverfahren hat das Amtsgericht dies zu prüfen, im Flurbereinigungsverfahren die Gemeinde und eine Bescheinigung auszustellen.

 

Eigenbesitzerfeststellung im Flurbereinigungsverfahren

Im Zuge der Beteiligtenermittlung gem. § 12 FlurbG kann durch Sterbeurkunde nachgewiesen werden, dass der im Grundbuch eingetragene Eigentümer verstorben ist. Obwohl für den Eigenbesitzerstatus unrelevant, sollte beim zuständigen Nachlassgericht ermittelt werden, ob ein Erbschein, Testament oder Erbvertrag vorliegt. Ist dies nicht der Fall, ist der Eigentümer gem. § 13 Abs. 1 FlurbG nicht ersichtlich und der Eigenbesitzer gilt als Beteiligter. Die Feststellung des Eigenbesitzers obliegt nicht der Flurbereinigungsbehörde, sondern wegen § 12 Abs. 1 S. 2 FlurbG ausschließlich der Gemeinde. Allein die Gemeinde hat die Voraussetzungen für den Eigenbesitz gem. § 872 BGB zu prüfen. Liegt die Bescheinigung der Gemeinde (Besitzzeugnis, Besitzattest) vor, hat die Flurbereinigungsbehörde den Eigenbesitzer anzuerkennen. Der Eigenbesitzer gilt gem. Wingerter/Mayr Rn. 1 zu § 13 FlurbG als unangefochten, wenn die Gemeinde dies bescheinigt. Es wäre ein Ermessensfehlgebrauch, wenn die Flurbereinigungsbehörde aufgrund der Kann-Vorschrift in § 12 Abs. 1 S. 2 FlurbG den Eigenbesitzer nicht anerkennt, wenn ein Besitzzeugnis der Gemeinde vorgelegt wird. Die Ausstellung des Besitzzeugnisses ist gem. § 108 FlurbG Kosten- und Gebührenfrei. Die Flurbereinigungsbehörde hat bei vermutlichen Eigenbesitzern auf die Rechtslage hinzuweisen.

 

Die Bescheinigung der Gemeinde kann wie folgt aussehen:

Wir bescheinigen gem. § 12 Abs. 1 S. 2 FlurbG, dass Frau/Herr XXXX, geb. XXXX, geb. am XX.XX.XXXX (wohnhaft XXXXXX) Eigenbesitzer gem. § 872 BGB des Flurstücks XXX der Gemarkung XXX ist. Der Eigenbesitz wurde uns aus folgenden Gründen nachgewiesen (nicht abschließende Beispiele):

 

  • Aussagen der Zeugen XXXX
  • Begleichung der Grundsteuer seit XX.XX.XXXX
  • Der letzte Kontakt zu den Eigentümern/möglichen Erben war am XX.XX.XXXX
  • Nutzung des Grundstücks wie ein Eigentümer seit XXXX
  • Der Eigenbesitz ist entstanden (voraussichtlich) am XX.XX.XXXX, wegen XXXX
  • Der Eigenbesitz ist gem. § 943 übergegangen von XXX wegen XXX
  • Der Eigenbesitzer bestätigt, dass ihm keine rechtmäßigen Erben bekannt sind.
  • Der Eigenbesitzer begründet glaubhaft wie folgt, weshalb er Eigenbesitzer ist:
  • ….

 

Ort, Datum         Unterschrift/Siegel

 

 

Ivo Partschefeld
30.03.2016