Aufgebotsverfahren als paralleles und vorgeschaltetes Verfahren zur besseren Umsetzung der Ziele eines Flurbereinigungsverfahrens

Gem. § 927 BGB kann der Eigentümer eines Grundstückes im Weges eines Aufgebotsverfahrens ausgeschlossen werden. Antragsberechtigt ist der Eigenbesitzer. Eigenbesitzer ist gem. § 872 BGB derjenige, der die Sache als ihm gehörend besitzt und wie ein Eigentümer seit 30 Jahren beherrscht (Besitz- und Beherrschungswille). Auf die Frist von 30 Jahren lässt sich der Besitz von Rechtsvorgängern anrechnen.

 

Eigenbesitz ist vom Fremdbesitz stets zu unterscheiden. Eigenbesitzer ist, wer den ausdrücklichen oder stillschweigenden Willen hat, das Grundstück wie ein Eigentümer zu beherrschen. Für Dritte muss wahrnehmbar sein, dass der Eigenbesitzer das Grundstück selbständig und unter Ausschluss anderer Personen besitzt. Auf die wirklichen Rechtsverhältnisse (Eintragung im Grundbuch) kommt es nicht an. Es ist auch nicht erforderlich, dass der Wille sich auf das Eigentum oder den rechtmäßigen Erwerb stützt. Der Eigenbesitzer hält sich für allein befugt mit dem Grundstück nach Belieben zu verfahren. Das Recht auf Eigenbesitz kann mit Besitzerwerb erlangt werden, aber auch durch rechtmäßige Verwandlung von Fremdbesitz. Eigenbesitz umfasst in der Hauptsache den unmittelbaren Besitz, aber auch den mittelbaren (§ 868 BGB) und mehrstufigen mittelbaren Besitz (§ 871 BGB).

Das Aufgebotsverfahren ist beim zuständigen Amtsgericht zu beantragen. Der Antrag sollte Aussagen zu folgenden Punkten enthalten:

  1. Plausibler Nachweis, dass der Antragsteller sich als Eigenbesitzer sieht.
  2. Ausstellung eines Besitzzeugnisses durch die Gemeinde.
  3. Vorliegender schuldrechtlicher (privater) Kaufvertrag oder anderweitige Dokumente, die darlegen, dass der Eigentümer vor mehr als 30 Jahren auf sein Eigentum zugunsten des Eigenbesitzers (oder Rechtsvorgänger) verzichtet hat.
  4. Zeugenaussagen und Nachweise, dass das Grundstück seit mind. 30 Jahren bewirtschaftet wurde.
  5. Unterlagen die darstellen, dass andere Personen oder Körperschaften (z.B. Gemeinde/Landkreis) den Eigenbesitzer als legitimen Handlungsbevollmächtigten ansehen (Erschließungsbeiträge, Grundsteuer, Berufsgenossenschaft, Behördenkontakte ...).
  6. Letzter Kontakt (z.B. Pachtzahlungen) zum Eigentümer oder Erben.
  7. Bemühungen von Eigentümer- und Erbenermittlungen.

Nicht jeder Punkt ist notwendig, sondern es sind Hinweise, wie die in § 927 BGB vorgegebenen Voraussetzungen erfüllt werden können.

Die Eigentümer- und Erbenermittlung braucht nicht bis Exzess betrieben werden. Wenn der im Grundbuch eingetragene Eigentümer verstorben ist (Sterbeurkunde aus Nachweis), ist § 927 Abs. 1 Satz 3 BGB erfüllt. Es ist für die Einleitung des Aufgebotsverfahrens nämlich unerheblich ob Erben feststellbar sind oder nicht.

Sofern kein Todesnachweis vorliegt, ist zu ermitteln ob der Eigentümer oder die Erben verschollen sind. Die Definition wann eine Person verschollen ist, steht im § 1 VerschG. Kann die Verschollenheit des eingetragenen Grundstückeigentümers oder Erben nicht ausreichend festgestellt werden, kann ein Aufgebotsverfahren nach dem VerschG beantragt werden, mit dem Ziel eines Todeserklärungsbeschlusses.

Bei Eigentum in Gesamthand (Erbengemeinschaft, GbR) kann nur der Ausschluss aller Gesamthandeigentümer beantragt werden (auch von einem Gesamthandmiteigentümer).

Sobald der Eigentümer durch Urteil ausgeschlossen ist, ist das Grundstück herrenlos. Derjenige der das Ausschlussurteil erwirkt hat (z.B. Eigenbesitzer), erwirbt das Aneignungsrecht gem. § 927 Abs. 2 BGB. Der Wille der Aneignung ist dem Grundbuchamt formlos mitzuteilen (Ausfertigung des Ausschlussurteils mit einreichen).

Das Aufgebotsverfahren ist im Interesse des Staates um klare und eindeutige Rechtslagen herbeizuführen und das Grundbuch an die tatsächlichen Besitzverhältnisse anzupassen.

Im Flurbereinigungsverfahren gilt der unangefochtene Eigenbesitzer als Beteiligter mit allen Rechten und Pflichten (z.B. Beitragspflicht). Lt. Kommentierung ist es jedoch nicht möglich den Eigenbesitzer als Eigentümer einzutragen. Deshalb ist das Aufgebotsverfahren die einzige Möglichkeit die Eigentümer auszuschließen. Dies sollte bereits zeitnah nach Anordnung des Verfahrens durchgeführt werden. So kann besser Grundbesitz zusammengelegt bzw. geordnet werden, weil i.d.R. Eigenbesitzer weitere Eigentumsflächen besitzen. Sofern Grundeigentum durch Aneignung nach einem Aufgebotsverfahren besser geordnet werden kann, Kleinstflächen verschwinden oder die Eigentumssituation dadurch geklärt werden kann, entspricht das Aufgebotsverfahren dem Zweck des Flurbereinigungsverfahrens. Da es dem Flurbereinigungsverfahren dient, ist das Verfahren frei von Gebühren, Steuern, Kosten (inkl. Auslagen) und Abgaben gem. § 108 FlurbG. Eine Versicherungserklärung gem. § 108 Abs. 2 FlurbG hat die Flurbereinigungsbehörde gegenüber dem Eigenbesitzer abzugeben.

10.01.2013
Ivo Partschefeld

Literatur und Quellen:

  • http://www.nl-bzar.de/index.php?id=233
  • Buch „Grundbuchbereinigung durch Aufgebot“ von Julia Heisel vom Carl Heymanns Verlag - Buch „Das Bürgerliche Gesetzbuch mit besonderer Berücksichtigung der Rechtsprechung des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofes“ von Georg Augustin, Wilhelm Kregel und Heinz Pikart vom De Gruyter Verlag
  • Rdnr. 1 zu §13 und Rdnr. 7 zu § 108 FlurbG Seehusen/Schwede 8. Auflage
  • Urteil des OLG Oldenburg vom 08.11.2004 (5 W 159/04)
  • Urteil des AG Bergheim vom 02.10.2002 (23 C 294/01)
  • Urteil des LG Aurich vom 03.09.1993 (5 T 183/92)
  • Urteil des LG Köln vom 29.08.1985 (11 T 133/85)
  • Urteil des BGH vom 29.03.1996 (V ZR 326/94)
  • Urteil des BGH vom 29.10.1959 (VII ZR 197/58)
  • Urteil des OLG Koblenz vom 15.01.2004 (5 U 1565/02)
  • Urteil des BGH vom 21.02.1979 (VIII ZR 124/78)
  • Kommentierungen zu §§ 872, 927 BGB aus Standardkommentaren