In der Flurbereinigung ist dieser schwammige Begriff von enormer Bedeutung. So kann ein Vereinfachtes Flurbereinigungsverfahren nach § 86 FlurbG und ein Freiwilliger Landtausch nach den §§ 103a FlurbG angeordnet werden, wenn durch eines solches Verfahren Agrarstrukturverbesserung eintreten. Daher gilt es den Begriff zu erläutern und Beispiele aufzeigen, die zur Verbesserung der Agrarstruktur führen.
Begriffserklärung (Quelle: WIKIPEDIA-Agrarstruktur)
Der Begriff Agrarstruktur bezeichnet die strukturellen Grundlagen der landwirtschaftlichen Produktion und der Lebensbedingungen im Agrarsektor (Landwirtschaft, Forstwirtschaft und verwandte Wirtschaftszweige). Zu den Kennwerten gehören insbesondere
- die Siedlungsform
- die Betriebsstruktur
- die Besitzstruktur
- Verteilung der Betriebe auf Größenklassen
- Kauf- und Pachtpreise
- die Struktur nach Arbeitskräften und Altersgruppen
- die Bodennutzungsweisen
- die Marktstruktur
- Förderungsinstitutionen und -instrumente
Gesetzliche Grundlagen für Agrarstrukturverbesserungen
Die Agrarstrukturverbesserung ist eine im Art. 91 a GG festgeschriebene Gemeinschaftsaufgabe. Ermächtigt durch Art. 91 a Abs. 2 GG ist das GAKG entstanden. Diese wiederrum legt die gesetzliche Grundlage für die Aufstellung eines länderübergreifenden gemeinsamen Rahmenplanes fest und dieser ist Basis für die einzelnen Förderrichtlinien der Bundesländer.
Obwohl nur explizit in den §§ 86 (Vereinfachtes Flurbereinigungsverfahren) und 103a (Freiwilliger Landtausch) FlurbG die Agrarstrukturverbesserung wörtlich genannt wird, so ist die Hauptaufgabe der Agrarstrukturverbesserung in den anderen Verfahrensarten auch zu erreichen. Die Verbesserung der Produktions- und Arbeitsbedingungen gem. der §§ 1 und 91 FlurbG ist ein Teilmaßnahme zur Verbesserung der Agrarstruktur.
Der Neugestaltungsauftrag für ein Regelflurbereinigungsverfahren gem. § 37 FlurbG beinhaltet beispielhafte Agrarstrukturverbesserungsmaßnahmen die im Verfahren umgesetzt werden sollen.
Ein Unternehmensverfahren gem. § 87 FlurbG hat im Wesentlichen den ZWeck den Landverlust auf einen größeren Kreis zu verteilen. Die Umsetzung bringt somit agrarstrukturelle Verbesserungen bzw. verhindert agrarstrukturelle Nachteile.
Jede Verfahrensart ist somit geeignet Agrarstrukturverbesserungen umsetzen zu können.
Das Grundstücksverkehrsgesetz GrdstVG (in Baden-Württemberg das Agrarstrukturverbesserungsgesetz ASVG) kann zum Wohle der Agrarstruktur bei rechtsgeschäftlichen Grundstücksveräußerungen durch Versagung, Auflagen oder Bedingungen eingreifen.
Agrarstrukturverbesserungsmaßnahmen
Maßnahmen verbessern die Agrarstruktur, wenn Agrarbetriebe oder natürliche Personen, die Land- oder Forstwirtschaft betreiben, davon wirtschaftlich profitieren werden. Die Verbesserung der Agrarstruktur soll nachhaltig und unabhängig der möglichen Betriebsgrößen und -formen (Einzelbäuerliche oder großflächige Landwirtschaftsbetriebe; Haupterwerb, Nebenerwerb, Bewirtschaftung von Eigentums oder Pachtflächen) wirken. Zum Einsatz können bodenordnerische Maßnahmen, investive bauliche Maßnahmen oder Beschränkungen bei Rechtsgeschäften kommen. Im Folgenden werden anhand von Gesetzen, Richtlinien und Urteilen Beispiele für Maßnahmen benannt, die zu Agrarstrukturverbesserungen führen können.
Die Verbesserung der Agrarstruktur wird auch dadurch erreicht, wenn durch Maßnahmen potentielle zukünftige agrarstrukturelle Nachteile verhindert oder abgewehrt werden.
FlurbG
Alle Maßnahmen die in § 37 FlurbG als Neugestaltungsauftrag aufgeführt sind, wie z.B.:
- Neueinteilung der Grundstücke
- zersplitterter oder unwirtschaftlich geformter Grundbesitz zusammenlegen
- zweckmäßige Gestaltung der Grundstücke nach Lage, Form und Größe
- Wege, Straßen und Gewässer herstellen
- bodenschützende sowie -verbessernde und landschaftsgestaltende Maßnahmen vornehmen
- sonstige Maßnahmen treffen durch welche die Grundlage der Wirtschaftsbetriebe verbessert, der Arbeitsaufwand vermindert und die Bewirtschaftung erleichtert wird
- Dorferneuerungsmaßnahmen
- Ordnen der rechtlichen Verhältnisse
Urteile
- Beseitigung von Besitzzersplitterungen (BVerwG vom 13.04.2011 Az.: 9 C 1/10)
- Bildung und Zuweisung großzügiger geschnittener Grundstücke (BVerwG vom 13.04.2011 Az.: 9 C 1/10)
- Zusammenlegung zersplitterten oder unwirtschaftlich geformten Grundbesitzes (BVerwG vom 18.06.1998, Az.: 11 B 28/98)
GAKG
- Maßnahmen zur Verbesserung der Produktions- und Arbeitsbedingungen in der Land und Forstwirtschaft u.a
- rationellere Gestaltung land- und forstwirtschaftlicher Betriebe (in Anlehnung an § 1 Abs. 1 Nr. 1a GrdstVG)
- markt- und standortangepaßte Landbewirtschaftung,
- Ausgleich natürlicher Standortnachteile,
- sonstige Maßnahmen, die unter besonderer Berücksichtigung der bäuerlichen Familienbetriebe für die gesamte Land- und Forstwirtschaft bedeutsam sind
- Maßnahmen zur Neuordnung ländlichen Grundbesitzes und Gestaltung des ländlichen Raumes durch Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur nach dem Flurbereinigungsgesetz (in Anlehnung an § 1 Abs. 1 Nr. 2 GrdstVG)
- Maßnahmen land- und forstwirtschaftlicher Betriebe zur Umnutzung ihrer Bausubstanz (in Anlehnung an § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrdstVG)
- Maßnahmen für eine leistungsfähige und künftigen Anforderungen ausgerichtete Land- und Forstwirtschaft (in Anlehnung an § 2 GrdstVG)
- Maßnahmen zur Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit (in Anlehnung an § 2 GrdstVG)
Rahmenplan 2014 (Förderbereich 1 Maßnahmegruppe A)
- Dorferneuerungs- und -entwicklungsmaßnahmen zur Erhaltung und Gestaltung des dörflichen Charakters einschließlich der Sicherung und Weiterentwicklung dorfgemäßer Gemeinschaftseinrichtungen zur Verbesserung der Lebensverhältnisse der dörflichen Bevölkerung sowie Maßnahmen land- und forstwirtschaftlicher Betriebe zur Umnutzung ihrer Bausubstanz (Nr. 4 GAK-Rahmenplan 2014)
- dem ländlichen Charakter angepasste Infrastrukturmaßnahmen (Nr. 5 GAK-Rahmenplan 2014)
- Neuordnung ländlichen Grundbesitzes und die Gestaltung des ländlichen Raums zur Verbesserung der Agrarstruktur einschließlich Maßnahmen
zur Sicherung eines nachhaltig leistungsfähigen Naturhaushalts sowie Vorhaben des freiwilligen Nutzungstauschs. (Nr. 6 GAK-Rahmenplan 2014) - Breitbandversorgung ländlicher Räume (Nr. 7 GAK-Rahmenplan 2014)
RL ILE/2011 Sachsen (Kapitel D)
- Maßnahmen in Verfahren nach dem FlurbG und LwAnpG (D 1.1)
- Maßnahmen zur Neuordnung des ländlichen Grundbesitzes und zur Gestaltung des ländlichen Raumes (D 1.1)
- Maßnahmen zur Sicherung eines nachhaltig leistungsfähigen Naturhaushaltes (D 1.1)
- Maßnahmen der Dorfentwicklung (D 1.1)
- Ländliche Infrastrukturmaßnahmen insbesondere zur Erschließung der landwirtschaftlichen oder touristischen Entwicklungspotenziale im Rahmen der Einkommensdiversifizierung land- oder forstwirtschaftlicher Betriebe. (D 1.2)
GrdstVG
- Grenzverbesserungsmaßnahmen (in Anlehnung an § 8 Nr. 4 GrdstVG)
- Tausch von Grundstücken zur Verbesserung der Landbewirtschaftung (in Anlehnung an § 8 Nr. 5 GrdstVG)
- Erwerb von Ersatzland zur Sicherung der Existenz oder Aufrechterhaltung der Betriebsgröße (in Anlehnung an § 8 Nr. 7 GrdstVG)
Beispiele für agrarstrukturelle Mängel und Verbesserungsmöglichkeiten
- Ein Grundstückseigentümer besitzt mehrere verstreut liegende Flurstücke. Durch die Zusammenlegung entstehen wenige neue Flurstücke.
- Durch Wegebaumaßnahmen kann die Bewirtschaftung der Agrarflächen beschleunigt und verbessert werden. Weiterhin werden die land- und forstwirtschaftlichen Maschinen weniger stark beansprucht.
- Unförmige Grundstücke (z.B. spitz zulaufend, Dreieck) können durch Neuordnung (Begradigungen, Verlegung usw.) anschließend effektivere bewirtschaftet werden.
- Grundstückseigentümer sind sich einig Grundstücke zu tauschen, weil so Eigentumsflächen näher zum Bewirtschaftungsstandort "wandern" bzw. Eigentumsflächen zusammengelegt werden können.
- Ein Waldbewirtschafter mit LN-Eigentumsflächen tauscht diese mit einem LN-Bewirtschafter gegen dessen im Eigentum befindliche Waldflächen. Beide Agrarbetriebe profitieren, weil jeder mehr Eigentumsfläche erhält, auf die er spezialisiert ist.
- Die rechtliche und tatsächliche Erschließung von Grundstücken ist nicht gesichert. Durch Bodenordnung und/oder Wegebau bzw. Wegerechtsbegründung kann die flurbereinigungsrechtliche Hauptaufgabe erfüllt werden. Jeder Grundstückseigentümer kann sein Grundstück nach der Flurbereinigung erreichen.
- Wenn der Eigentümer eines Grundstückes nicht bekannt ist, kann die Flurbereinigungsbehörde die Eigentümerermittlung (meist Erbenermittlung) durchführen oder den Eigenbesitzer als Beteiligten im Flurbereinigungsverfahren bestimmen. So erhält jedes Grundstück im Verfahrensgebiet einen Ansprechpartner und die aktuelle Fremdnutzung kann beseitigt bzw. auf rechtlich einwandfreie Füße (Z.B. Pachtvertrag) gestellt werden. Verwahrloste Grundstücke können wieder wirtschaftlich genutzt.
- Agrarbetriebe sind auf die Aufstockung Ihrer Eigentumsflächen angewiesen. Nach Anordnung eines Flurbereinigungsverfahrens steigt i.d.R. das Verkaufsinteresse von Grundstückseigentümern. Agrarbetrieb können ohne Vermessungs-, Notar- und Grundbuchamtkosten ihren Eigentumsbestand (auch durch Zukauf von Teilflächen) schnell und kostengünstig erhöhen.
- Zur Vermeidung oder Reduzierung von Erosionsschäden an land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken können entsprechende Maßnahmen umgesetzt werden (Bewirtschaftungsrichtung ändern, Heckenpflanzung, Rückhaltemulden schaffen, Waldsaumbereiche anlegen ...)
Effekte von Agrarstrukturverbesserungsmaßnahmen
- geringerer Material- und Maschinenverschleiß
- kürzere Arbeitswege, mehr Freizeit
- effektivere Bewirtschaftung der Agrarflächen
- Wegfall von Nutzungskonflikten
- Landerwerb ohne Vermessung-, Notar- und Grundbuchamtkosten
- Auflösen und Verhindern von Nachbarschaftsstreitigkeiten
- Steigerung der Diversifikationsmöglichkeiten von Einkommensarten (Direktvermarktung, Energieproduktion, Tourismus ...)
- Steigerung der Wirtschaftslichkeit gegenüber Mitbewerbern
- erstmals seit Jahrzehnten wird die genaue Lage der Grundstücksgrenzen den Grundstückseigentümern bekannt gegeben